Grüezi, guten Morgen und hallo

Neulich hat Exu gegrüsst. 24 Stunden, einen ganzen Tag lang hat Exu gegrüsst. Ausnahmslos alle, denen er begegnet ist. Hoi, grüezi, guten Morgen, sali, hoi, ciao, guten Tag, grüezi, n’Abig. Hoihoihoi, grüezigrüezigrüezi. Einen ganzen Tag, 24 lange Stunden lang.
Na gut, der Nachbarin aus dem zweiten Stock ist er morgens erst einmal aus dem Weg gegangen. Sonst hätte die leicht geschwätzige Dame ihm wieder alle Neuigkeiten aus der Waschküche aufs oder besser gesagt ins Ohr gedrückt. Wer seine Unterwäsche wieder länger als erlaubt auf der Leine hängen lässt, wer grundsätzlich nachts wäscht, obwohl dies verboten ist, wer niemals den Filter des Trockners reinigt. Wer dies, wer das. Nach der Waschküche hätte die Dame sich dann die soeben erhaltene Heizkostenabrechnung zur Brust genommen, die ja auch von Jahr zu Jahr immer höher und höher wird.
Exu ist dieser Begegnung also aus gewichen, verlässt das Haus und grüsst den stets aufgestellten Hundebesitzer aus dem Nachbarhaus, der soeben seine Morgenrunde mit dem bellenden Wollknäuel namens Tarzan beendet. Wie kann man einen Hund nur Tarzan nennen? Na gut, eigentlich weiss Exu gar nicht, wie der Hund wirklich heisst, nur er, Exu, ruft ihn so, aber das ist ja nicht so wichtig. Die hundert Meter bis
zur Tramhaltestelle übersteht Exu schadlos, er grüsst drei Menschen, zweimal erhält er ein automatisches deutliches Grüezi, einmal ein eindeutig einem Nieslaut nachempfundenes NNNzi. Aufs Tram wartend grüsst Exu noch zwanzig Mal, die meisten grüssen zurück, einer fragt, woher Exu und er sich denn kennen, dann kommt das Tram und die nächste Herausforderung. Beim Einsteigen grüsst Exu einzeln alle anderen Fahrgäste, ist kurz versucht, auch noch jedem die Hand zu geben, lässt dies aber wegen drohender Hygienediskussionen lieber sein. Als dann der Fahrer aus seiner Kabine allen noch einen schönen Tag wünscht, hebt sich Exus Laune deutlich.
Das Grüezisagen fällt ihm immer leichter. Selbst im Hauptbahnhof geht er niemandem aus dem Weg. Allerdings ist er froh, dass er Kleingeld und ein volles Päckchen Zigaretten dabei hat. Denn auch jene, die gerne nen Stutz oder ne Zigi von ihm wollen, meidet er nicht. Ein kleiner Bub fragt seine Mutter, ob er jetzt auch allen Hoi sagen darf, die Mutter kommt etwas in Erklärungsnotstand. Jaja, freundlich sein sei schon gut, trotzdem solle er vorsichtig sein, wenn Fremde ihn grüssen. Der Blick des Kindes verrät, dass es das jetzt noch nicht ganz verstanden hat, dass da noch mal nachgefragt werden muss. Exu trifft an diesem Tag noch zwei alte Bekannte und lernt eine wunderbare Frau kennen. Er geht am Abend glücklich nach Hause und zufrieden ins Bett.
Leider ist diese Geschichte erstunken und erlogen. Wahr ist allerdings diese Geschichte: Neulich am Bahnsteig in Solothurn läuft Exu an Peter Bichsel vorbei, der ihn ja nicht kennt, und grüsst ihn, einfach so. Dieser grüsst zurück, ebenfalls einfach so. Das war alles. Und während Exu überlegt, aus welchen Kleinigkeiten Peter Bichsel schon wundervolle Geschichten gestrickt hat, entschliesst er sich, in Zukunft häufiger zu grüssen und fängt jetzt damit an. Herzliche Grüsse    

Exu